Die EU kann das Leben von fast 10 Millionen Menschen durch eine strenge Methanverordnung verbessern
Über die menschlichen Kosten des Abfackelns in der Öl- und Gasindustrie wird viel zu wenig berichtet - aber es ist eine Geschichte, die es verdient, bei den politischen Entscheidungsträgern an erster Stelle zu stehen. Eine aktuelle Bevölkerungsanalyse von CATF zeigt, dass fast 10 Millionen Menschen im Umkreis von 5 km um aktive Abfackelungen in Ländern leben, die Öl und Gas in die EU exportieren. Als weltweit größter Importeur fossiler Energieträger befindet sich die EU in einer einzigartigen Position, um das Abfackeln im Öl- und Gassektor drastisch zu reduzieren, indem sie ihre Kaufkraft nutzt, um die Einführung strenger Standards in den Ländern zu beschleunigen, die Europa ihr Öl und Gas verkaufen.
Warum ist das Abfackeln ein Problem?
Das Abfackeln von Erdgas ist eine verschwenderische Praxis, die nachweislich negative Auswirkungen auf das Klima und die Gesundheit der Bevölkerung in der Umgebung hat. Das Abfackeln kann überall dort vorkommen, wo Erdöl oder Erdgas gefördert wird. Am weitesten verbreitet ist es jedoch in Ländern und Becken, in denen in erster Linie Erdöl gefördert wird, während Erdgas als sekundäres Produkt betrachtet wird, das häufig als "Begleitgas" bezeichnet wird. Trotz freiwilliger Initiativen der Weltbank und anderer Institutionen zur Eindämmung des Abfackelns in der Öl- und Gasindustrie auf der ganzen Welt besteht dieses Problem weiter, da es wesentlich zum Klimawandel beiträgt und die Gesundheit von Millionen von Menschen bedroht.
Das Abfackeln hat erhebliche Auswirkungen auf das Klima: Bei der Verbrennung von Gas wird Kohlendioxid (CO2) freigesetzt, und durch ineffiziente oder unbeleuchtete Abfackelungen werden große Mengen Methan (CH4) freigesetzt, ein starkes Treibhausgas mit einem Erwärmungspotenzial, das über einen Zeitraum von 20 Jahren mehr als 80 Mal größer ist als das vonCO2. Die Weltbank schätzt die gesamten Kohlenstoffemissionen aus dem Abfackeln von Gas auf mehr als 350 Millionen Tonnen jährlich, was etwa 1 Prozent der gesamten weltweiten Kohlenstoffemissionen entspricht.
Ebenso wichtig ist, dass das Abfackeln aufgrund der Freisetzung schädlicher Chemikalien, die im verbrannten Gas enthalten sind, nachteilige Auswirkungen auf die Bevölkerung in der Umgebung hat. Beim Abfackeln wird eine Vielzahl schädlicher Luftschadstoffe freigesetzt, darunter Benzol, Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOx), flüchtige organische Verbindungen (VOC), Feinstaub (PM), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Methan (CH4), Kohlendioxid (CO2) und andere. Das Wohnen in der Nähe aktiver Abfackelanlagen wird mit Atemwegserkrankungen, Krankheiten, vorzeitigen Todesfällen, Frühgeburten und niedrigem Geburtsgewicht in Verbindung gebracht, während die Exposition von Kindern gegenüber Abfackelschadstoffen die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Asthma bei Kindern erhöht.
Gesundheitliche Auswirkungen des Abfackelns von Erdgas
Die nachstehende Tabelle zeigt eine Zusammenfassung der gesundheitlichen Auswirkungen der Exposition gegenüber Luftschadstoffen infolge des Abfackelns von Gas. Die negativen Auswirkungen des Abfackelns auf die menschliche Gesundheit wurden in mehreren Regionen der Welt untersucht, wie die folgenden Beispiele zeigen.
- Niger-Delta-Region: Studien in dieser Region haben gezeigt, dass das Abfackeln ein erhebliches Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt, was zu einer hohen Inzidenz von Atemwegs- und Hauterkrankungen bei den Anwohnern von Abfackelstellen führt.i,ii
- Iran: Untersuchungen im Iran ergaben ein erhöhtes Gesundheitsrisiko im Zusammenhang mit Benzol-, Toluol-, Ethylbenzol- und Xylolemissionen (BTEX) aus dem Abfackeln in Industrie- und Wohngebieten.iii
- USA-weit: Beim Abfackeln von Erdgas in den Vereinigten Staaten wurden etwa 16.000 Tonnen schwarzer Kohlenstoff (BC) emittiert, was 8 % der landesweiten BC-Emissionen oder 10 % der gesamten anthropogenen BC-Emissionen ausmachte. BC-Emissionen aus diesen Abfackelungen verursachten im Jahr 2019 etwa 26-53 vorzeitige Todesfälle.iv
- Texas: Eine Studie in Texas ergab höhere Asthma-Krankenhausaufenthaltsraten bei Kindern in der Nähe von Erdgasförderanlagen, was auf mögliche Gesundheitsrisiken für Kinder in der Nähe dieser Anlagen hinweist.v Eine andere Studie ergab, dass schwangere Frauen, die in unmittelbarer Nähe von Abfackelungsaktivitäten leben, höhere Raten von Frühgeburten, kürzere Schwangerschaftszeiten und geringere Geburtsgewichte aufweisen.vi
Tabelle 1: Gesundheitliche Auswirkungen der beim Abfackeln freigesetzten Schadstoffe
| Luftschadstoff | Auswirkungen auf die Gesundheit | Referenz |
|---|---|---|
| Benzol | Krebs, Anämie, Hirnschäden und Geburtsfehler sowie Reizung der Atemwege | Mirrezaei, et al. 2020 |
| Schwefeldioxid (SO2) | Asthma und Reizung der Atemwege | Willis, et al. 2020 |
| Stickstoffoxide (NOx) | Asthma und Reizung der Atemwege | Mirrezaei, et al. 2020 |
| Feinstaub (PM) und schwarzer Kohlenstoff (BC) | Krebs, Geburtsfehler, Asthma, Bronchitis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen | Chen, et al. 2022, Cushing, el al. 2020, Anejionu, et al. 2015 |
| Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) | Krebs und Reizung der Atemwege | Mirrezaei, et al. 2020 |
10.000.000 Menschenleben in erhöhter Gefahr
In diesem Bericht wird auf die gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Abfackelns in 20 Ländern mit bedeutenden Öl- und/oder Gasexporten in die Europäische Union (EU) hingewiesen. Das Abfackeln in den Exportländern findet zwar außerhalb der EU-Grenzen statt, steht aber in direktem Zusammenhang mit dem Öl- und Gasverbrauch der EU.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass in diesen 20 Ländern:
- Fast 10 Millionen Menschen leben im Umkreis von 5 Kilometern (km) um aktive Fackeln;
- Im Irak und in Nigeria sind mit 3,0 Millionen bzw. 2,5 Millionen die meisten Menschen betroffen;
- In den Vereinigten Staaten, Mexiko, Aserbaidschan und Ägypten leben weitere 2,9 Millionen Menschen in einem Umkreis von 5 km um eine Fackel;
- mehr als eine halbe Million Menschen leben in unmittelbarer Nähe von Fackeln, weniger als 1 km entfernt; und,
- Während die meisten Abfackelstellen weit entfernt von dicht besiedelten Gebieten liegen, befinden sich etwa 10 % der Abfackelstellen in unmittelbarer Nähe von städtischen oder vorstädtischen Gebieten.
Von der Abfackelung betroffene Bevölkerung
Eine Chance für die EU, die Verschmutzung durch Abfackeln einzudämmen
Die Instrumente für eine solche Initiative sind bereits in Vorbereitung. Seit Dezember 2021 arbeiten die EU-Institutionen an der Ausarbeitung von Vorschriften zur Verringerung der Methanemissionen aus fossilen Energieträgern, die in der EU erzeugt oder verbraucht werden.vii Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung enthält Bestimmungen zur Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung (MRV), zur Erkennung und Reparatur von Leckagen (LDAR) und zum Verbot routinemäßiger Entlüftungs- und Abfackelungspraktiken für alle fossilen Brennstoffunternehmen in der EU. In seinem visionären Vorschlag für die Verordnung dehnt das Europäische Parlament die gleichen Anforderungen auf Öl und Gas aus, das außerhalb der EU gefördert und in die EU importiert wird, und führt damit die weltweit erste Norm für Methanimporte ein.viii
Durch die Einführung einer solchen Methan-Importnorm für Öl und Gas kann die EU Schritte unternehmen, um die Methanreduzierung bei ihren Handelspartnern voranzutreiben und gleichzeitig die Gesundheitsrisiken für Millionen von Menschen zu verringern, die in der Nähe von Fackeln in diesen Ländern leben. Darüber hinaus würde diese Norm ein Kernziel der neuen, 2022 verabschiedeten globalen Gesundheitsstrategie der EU erfüllen, die darauf abzielt, globale Gesundheitsaspekte in alle Politikbereiche der EU, einschließlich Klima-, Energie- und Handelspolitik, einzubeziehen.ix
Die COP28 steht vor der Tür und die Fortschritte bei der Erreichung derGlobalen Methanverpflichtungdrohen sich zu verlangsamen. Die EU darf diese Gelegenheit nicht verpassen, um eine globale Führungsrolle bei der Reduzierung von Methanemissionen zu übernehmen. Durch die Einführung einer Methan-Importnorm würde die EU nicht nur mehr als 30 % der weltweiten Methanemissionen aus dem Öl- und Gassektor reduzieren und uns dem Ziel der Globalen Methan-Zusage bis 2030 näher bringen, sondern sie würde auch gesundheitsfördernde Praktiken in Dutzenden von Ländern fördern.
i Anejionu, O. C. D., Whyatt, J. D., Blackburn, G. A., & Price, C. S. (2015). Beiträge des Abfackelns von Gas zu einem globalen Luftverschmutzungs-Hotspot: Spatial and temporal variations, impacts and alleviation. Atmospheric Environment, 118, 184-193. https://doi.org/10.1016/j.atmosenv.2015.08.006 https://doi.org/10.1016/j.sciaf.2021.e00762
ii Nwosisi, M. C., Oguntoke, O., Taiwo, A. M., Agbozu, I. E., & Noragbon, E. J. (2021). Räumliche Muster von Gasabfackelstationen und das Risiko für die Gesundheit der Atemwege und der Haut der Bewohner des Nigerdeltas, Nigeria. Scientific African, 12, e00762. https://doi.org/10.1016/j.sciaf.2021.e00762
iii Mirrezaei, M. A., & Orkomi, A. A. (2020). Der Beitrag von Gasfackeln zur Bewertung des gesamten Gesundheitsrisikos von BTEX in Asalouyeh, Iran. Process Safety and Environmental Protection, 137, 223-237. https://doi.org/10.1016/j.psep.2020.02.034
iv Chen, C., McCabe, D. C., Fleischman, L. E., & Cohan, D. S. (2022). Schwarzkohleemissionen und damit verbundene gesundheitliche Auswirkungen des Abfackelns von Gas in den Vereinigten Staaten. Atmosphere, 13(3), 385. https://doi.org/10.3390/atmos13030385
v Willis, M., Hystad, P., Denham, A., Hill, E. (2020). Erdgaserschließung, Abfackelungspraktiken und pädiatrische Asthma-Krankenhausaufenthalte in Texas. Int. J. Epidemiol. 49, 1883-1896. https://doi.org/10.1093/ije/dyaa115
vi Cushing, L. J., Vavra-Musser, K., Chau, K., Franklin, M., & Johnston, J. E. (2020). Abfackeln bei der Erschließung unkonventioneller Öl- und Gasvorkommen und Geburtsergebnisse im Eagle Ford Shale in Südtexas. Environmental Health Perspectives. https://doi.org/10.1289/EHP6394
vii Europäische Kommission. (2021). Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Verringerung der Methanemissionen im Energiesektor und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/942. https://eur-lex. europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=COM%3A2021%3A805%3AFIN
viii Europäisches Parlament. (2023). Vom Europäischen Parlament am 9. Mai 2023 angenommene Abänderungen zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Reduktion von Methanemissionen im Energiesektor und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/942. https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0127_EN.html.
ix Bezieht sich auf Abschnitt 3 und Leitprinzip 12 der EU-Strategie für globale Gesundheit, in der eine "Gesundheit in allen Politikbereichen" gefordert wird, die für politische Kohärenz in allen EU-Politikbereichen sorgt, die Auswirkungen auf die globale Gesundheit haben. Siehe Europäische Kommission. (2022). Globale Gesundheitsstrategie der EU: Bessere Gesundheit für alle in einer sich wandelnden Welt. https://health.ec.europa.eu/publications/eu-global-health-strategy-better-health-all-changing-world_en
